Erwartungen und Enttäuschungen lösen Konflikte aus in der sechsköpfigen „Familie Price“.
Kamen. (wol) „Wir sind im Arsch, wie die meisten Familien“ – gelegentlich geht es auf der Bühne bei „Dinge die ich sicher weiß“ drastisch und direkt zu. Das Theaterspiel um Familie, Rollen und Lebenserwartungen aber erzählte in der Konzertaula in großartiger Besetzung keineswegs nur von Scheitern. Dabei hatte gerade diese Familie einiges auszuhalten.
Maria Hartmann und Nina Petri in der Konzertaula. Die Tochter (Nina Petri) spricht den Brief, den die Mutter, liest. Mit Maria Hartmann, Nina Petri und Christoph Tomanek waren drei der sechs Figuren mit sehr bekannten TV-Gesichtern mit allerdings noch mehr Theatererfahrung besetzt, aber auch die drei weiteren Mitglieder der Familie Price fielen dagegen nicht ab. Gemeinsam gestalteten sie eine Familiendynamik mit einer drastischen Fülle an Herausforderungen.
Der eine Sohn ist nicht nur wie schon erwartet homosexuell, sondern plant gleich die Geschlechtsumwandlung. Die eine Tochter verlässt Mann und Kinder wegen eines verheirateten Geliebten. Die andere kehrt von langer Reise mit ein speziellen Erfahrung heim, um gleich wieder in die Welt hinaus zu wollen. Und der andere Sohn hat mal eben recht viel Geld veruntreut. Dass es auch bei den Eltern kriselt und sie womöglich nur der Kinder wegen bei ihrem Rosen züchtenden Mann geblieben ist, überrascht da nicht. Strategien variieren deutlich. Er: „Scheiß auf die Kinder!“ Sie: „Scheiß auf den Garten“.
All das bietet starken Schauspielern mit großartigen Texten Gelegenheit, das familiäre Gewirr aus Erwartungen und Ausbruchsversuchen, Zusammenhalt und Konfliktpotenzial in gekonntem Wortspiel und bei leisen Tönen bis hin zu körperlichen Attacken auszuspielen. Es war mal nicht witzige Unterhaltung, sondern große Lebensthemen, die diesmal in der Konzertaula auf dem Plan standen. Vielleicht deshalb war das Haus zwar nicht ausverkauft, das Publikum aber feierte am Ende das Ensemble des Ernst-Deutsch-Theaters Hamburg begeistert mit stehenden Ovationen.
Dazu trug sicher auch eine Inszenierung bei, die mit einem Bühnenbild auskam, auch weil die Akteure dazwischen wortreich um so mehr zu bieten hatten. Besonders audrucksstark wirkten Monologe, bei denen gern andere Ensemble- und Familienmitglieder scheinbare Staffage im Hintergrund gaben. Doch auch turbulentes Miteinander im Verbund, mit einer leidenschaftlich agierenden Mutter, die auch gern mal als Furie auftrat und dem dann doch nicht immer in sich ruhenden Vater erforderte die Geschichte.
Zwischen Leid, Verzweiflung und Enttäuschung, weil die Kinder irgendwie nicht einfach nur bessere Versionen ihrer Eltern werden wollten, gab es durchaus Mut machende Ansätze. Immerhin hat Familie Price all das irgendwie überstanden. Autor Andrew Bovell hat das Stück im Kollektiv mit anderen entwickelt. Er sagt: „Diese Kraft der familiären Liebe, sie ist wunderbar und überwältigend …“
Viel auszuhalten gilt es für die Eltern in „Dinge dich ich sicher weiß“. Manchmal eskaliert das.